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Die Unschuld

Ach du schöne weiße Taube,
Zitterst du gleich Espenlaube?
Schmiegst dich bang mit scheuem Sinn
An die holde Schützerin.

Wohl mit Recht warnt dieses Zagen!
Vieles darf der Starke wagen,
Gierde lauert, Unschuld weint,
Und dort seh' ich deinen Feind.

Einen nur der langen Reihe:
Adler, Falke, Sperber, Weihe,
Glatt und kraus, mit Streif und Stern,
Alle treffen Täubchen gern.

Selbst die Katze krümmt den Rücken,
Zwar vor solchen Feindes Tücken
Schützt ein rascher Flügelschlag,
Und ein Engel ist ja wach!

Aber auch die Engel schlafen,
Und will Gott am stärksten strafen,
Zeigt der Feind geflügelt sich;
Täubchen, Täubchen! hüte dich!
Text: Franz Seraphicus Grillparzer - Lizenz: Public Domain