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Elegie auf den Tod einer Grille

Musen, hüllet mir die Leier,
Die sonst nur der Freud' erklang,
In der Trauer dunklen Schleier:
Klagend halle mein Gesang.

Schwermutsvoll in dumpfen Tönen
Weine, holde Elegie,
Fleuch, o fleuch mit leisem Stöhnen
Hin ins Land der Phantasie!

Hebe dich auf leichten Schwingen
Zu der Göttin hehrem Thron,
Hilf ein Totenlied mir singen
In Tibulls gerührtem Ton.

Zwar nur eine kleine Grille
Ist es, was mein Lied beweint,
Aber diese niedre Hülle
Barg mir einen lieben Freund.

Einen Freund, der mir die Sorgen
Aus dem wunden Herzen sang,
Der an jedem frühen Morgen
Freudig mir entgegensprang.

Er, der oft mit seinem Scherzen
Lust und Heiterkeit mir gab,
Stürzt', ein Raub von herben Schmerzen,
In sein allzufrühes Grab!

Tot liegt er vor meinen Füßen,
Tot vor meinem nassen Blick,
Unerweckbar meinen Küssen,
Nimmer kehret er zurück!

Schlafe denn, da dich mein Kummer
Nimmermehr zum Leben ruft,
Schlafe denn den Todesschlummer,
Ruhe sanft in düstrer Gruft.
Text: Franz Seraphicus Grillparzer - Lizenz: Public Domain