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Huldigungen

1.

Wenn man dich Engel nennt,
Will's so der Brauch,
Daß du's an Schönheit bist,
Seh' ich wohl auch;
Magst's auch an Güte sein:
Gib und gewähr!
Nur nicht an Heiligkeit,
Bitt' ich gar sehr.

2.

Daß dein Kleid rosenrot,
Find' ich recht fein,
Kann's, wo der Gürtel schließt,
Anders wohl sein?
Denn wo im Lenz ich sah
Knöpfchen am Rain,
Gaben sie ähnlichen
Blaßroten Schein.

3.

Im Schatten ihrer Wimpern
Blühn zwei Vergißmeinnicht;
Der überflüss'gen Lehre,
Die so ein Blümchen spricht!
Wie könnte dein vergessen,
Der je geschaut dein Licht?
Und doch, laß sie nur sprechen!
Vergiß du selber nicht.

4.

Gelb ist der Saaten
Wallender Streif?
Blond sind die Ähren
Und sie sind reif;
Blond wie dein Häuptchen -
's ist an der Zeit,
Schon hält der Schnitter
Die Waffe bereit.

5.

Wenn du die Liebe schon gekannt,
Gefühlt schon ihren Kuß,
Wer tadelt dich in seinem Wahn
Und darbet, weil er muß?
Ein jedes treibt, wozu es ward,
So will's ein ew'ger Schluß:
Hephästen steht die Arbeit wohl,
Cytheren der Genuß.
Text: Franz Seraphicus Grillparzer - Lizenz: Public Domain