Vor dem blühenden Apfelbaum
Das war der Frühling in wonnigstem BangenUnd bangendster Wonne, was kam über Nacht.
Ein doppelter Regen ist niedergegangen
Über des einen Apfelbaums Pracht:
Von Taudemanten ein ganzer See,
Und ein Blütenmeer von Blut und von Schnee.
Und mit Augen groß, wie ein einziges Fragen,
Ein Menschenkind steht vor des Apfelbaums Pracht,
Halb Jungfrauherbe, bald Kindeszagen,
Halb träumend noch, halb schon erwacht,
Halb naschende Neugier, halb schüchterne Scham:
Wie das alles so über Nacht nur kam?
Und plötzlich im wonnigsten Frühlingsbangen
Stürzt ihr auch vom Aug' ein Demantensee
Und, als doppelter Regen über die Wangen,
Eine Blütenschlacht von Blut und von Schnee:
Als jäh es ihr kommt, daß selbige Nacht
Von ihm auch den ersten Traum ihr gebracht!
Text: Udo Brachvogel - Lizenz: Public Domain