Vergänglichkeit
Vom Berge schaut hinaus ins tiefe SchweigenDer mondbeseelten schönen Sommernacht
Die Burgruine, und in Tannenzweigen
Hinseufzt ein Lüftchen, das allein bewacht
Die trümmervolle Einsamkeit,
Den bangen Laut: "Vergänglichkeit!"
"Vergänglichkeit!" mahnt mich im stillen Thale
Die ernste Schar bekreuzter Hügel dort,
Wo dauernder der Schmerz in Totenmale
Als in verlassne Herzen sich gebohrt;
Bei Sterbetages Wiederkehr
Befeuchtet sich kein Auge mehr.
Der wechselnden Gefühle Traumgestalten
Durchrauschen äffend unser Herz; es sucht
Vergebens seinen Himmel festzuhalten,
Und fortgerissen in die rasche Flucht
Wird auch der Jammer; und der Hauch
Der sanften Wehmut schwindet auch.
Horch' ich hinab in meines Busens Tiefen,
"Vergänglichkeit!" klagt's hier auch meinem Ohr,
Wo längst der Kindheit Freudenkläng' entschliefen,
Der Liebe Zauberlied sich still verlor,
Wo bald in jenen Seufzer bang
Hinstirbt der letzte frohe Klang.
Text: Nikolaus Lenau - Lizenz: Public Domain