Frühlingsblick
Durch den Wald, den dunkeln, gehtHolde Frühlingsmorgenstunde,
Durch den Wald vom Himmel weht
Eine leise Liebeskunde.
Selig lauscht der grüne Baum,
Und er taucht mit allen Zweigen
In den schönen Frühlingstraum,
In den vollen Lebensreigen.
Blüht ein Blümlein irgendwo,
Wird's vom hellen Tau getränket;
Das einsame zittert froh,
Daß der Himmel sein gedenket.
In geheimer Laubesnacht
Wird des Vogels Herz getroffen
Von der großen Liebesnacht,
Und er singt ein süßes Hoffen.
All' das frohe Lenzgeschick
Nicht ein Wort des Himmels kündet;
Nur sein stummer, warmer Blick
Hat die Seligkeit entzündet.
Also in den Winterharm,
Der die Seele hielt gezwungen,
Ist ein Blick mir, still und warm,
Frühlingsmächtig eingedrungen.
Text: Nikolaus Lenau - Lizenz: Public Domain