Die Heideschenke
Ich zog durchs weite Ungarland;Mein Herz fand seine Freude,
Als Dorf und Busch und Baum verschwand
Auf einer stillen Heide.
Die Heide war so still, so leer;
Am Abendhimmel zogen
Die Wolken hin, gewitterschwer,
Und leise Blitze flogen.
Da hört ich in der Ferne was,
In dunkler, meilenweiter;
Ich legte 's Ohr ans knappe Gras,
Mir war, als kämen Reiter.
Und als sie kamen näherwärts,
Begann der Grund zu zittern,
Stets bänger, wie ein zartes Herz
Vor nahenden Gewittern.
Hertobte nun ein Pferdehauf,
Von Hirten angetrieben
Zu rastlos wildem Sturmeslauf
Mit lauten Geißelhieben.
Der Rappe peitscht den Grund geschwind
Zurück mit starken Hufen,
Wirft aus dem Wege sich den Wind,
Hört nicht sein scheltend Rufen.
Gezwungen ist in strenge Haft
Des Wildfangs tolles Jagen,
Denn klammernd herrscht des Reiters Kraft,
Um seinen Bauch geschlagen.
Sie flogen hin, woher mit Macht
Das Wetter kam gedrungen,
Verschwanden, - ob die Wolkennacht
Mit einmal sie verschlungen.
Doch meint' ich nun und immer noch
Zu hören und zu sehen
Der Hufe donnerndes Gepoch,
Der Mähnen schwarzes Wehen.
Die Wolken schienen Rosse mir,
Die eilend sich vermengten,
Des Himmels hallendes Revier
Im Donnerlauf durchsprengten;
Der Sturm, ein wackrer Rosseknecht,
Sein muntres Liedl singend,
Daß sich die Herde tummle recht,
Des Blitzes Geißel schwingend.
Schon rannten sich die Rosse heiß,
Matt war der Hufe Klopfen,
Und auf die Heide sank ihr Schweiß
In schweren Regentropfen.
Nun brach die Dämmerung herein,
Mir winkt von fernen Hügeln
Herüber weißer Wände Schein,
Die Schritte zu beflügeln.
Es schwieg der Sturm, das Wetter schwand;
Froh, daß es fortgezogen,
Sprang übers ganze Heideland
Der junge Regenbogen.
Die Hügel nahten allgemach;
Die Sonne wies im Sinken
Mir noch von Rohr das braune Dach,
Ließ hell die Fenster blinken.
Am Giebel tanzte wie berauscht
Des Weines grüner Zeiger,
Und als ich freudig hingelauscht,
Hört ich Gesang und Geiger.
Bald kehrt' ich ein und setzte mich
Allein mit meinem Kruge;
An mir vorüber drehte sich
Der Tanz im raschen Fluge.
Die Dirnen waren frisch und jung
Und hatten schlanke Leiber,
Gar flink im Drehen, leicht im Sprung;
Die Burschen waren - Räuber.
Die Hände klatschen, und im Takt
Hell klirrt des Spornes Eisen;
Das Lied frohlocked, und es klagt
Schwermütig kühne Weisen.
Ein Räuber singt: "Wir sind so frei,
So selig, meine Brüder!"
Am Jubeln seines Mundes vorbei
Schleicht eine Thräne nieder.
Der Hauptmann sitzt, auf seinen Arm
Das braune Antlitz senkend,
Er scheint entrückt dem lauten Schwarm,
Wie an sein Schicksal denkend.
Das Feuer seiner Augen bricht
Hindurch die finstern Brauen,
Wie nachts im Wald der Flamme Licht
Durch Büsche ist zu schauen.
Wächst aber Sang und Sporngeklirr
Nun kühner den Genossen,
Seh' ich das leere Weingeschirr
Ihn kräftig niederstoßen.
Ein Mädel sitzt' an seiner Seit',
Scheint ihn als Kind zu ehren
Und gerne hier der Fröhlichkeit
Des Tanzes zu entbehren.
Auf ihren Reizen ruht sein Blick
Mit innigen Behagen,
Zugleich auf seines Kinds Geschick
Mit heimlichem Beklagen. -
Stets wilder in die Seelen geigt
Nun die Zigeunerbande,
Der Freude süßes Rasen steigt
Laut auf zum höchsten Brande.
Und selbst des Hauptmanns Angesicht
Hat Freude überkommen; -
Da dacht' ich an das Hochgericht
Und ging hinaus, beklommen.
Die Heide war so still, so leer,
Am Himmel nur war Leben;
Ich sah der Sterne strahlend Heer,
Des Mondes Völle schweben.
Der Hauptmann auch entschlich dem Haus;
Mit wachsamer Gebärde
Rings horcht' er in die Nacht hinaus,
Dann horcht' er in die Erde,
Ob er nicht höre schon den Tritt
Ereilender Gefahren,
Ob leise nicht der Grund verriet
Ansprengende Husaren.
Er hörte nichts, da blieb er stehn,
Um in die hellen Sterne,
Um in den hellen Mond zu sehn,
Als möcht' er sagen gerne:
"O Mond im weißen Unschuldskleid!
Ihr Sterne dort unzählig!
In eurer stillen Sicherheit
Wie wandert ihr so selig!"
Er lauschte wieder, - und er sprang
Und rief hinein zum Haufe,
Und seiner Stimme Macht verschlang
Urplötzlich das Gebrause.
Und eh' das Herz mir dreimal schlug,
So saßen sie zu Pferde,
Und auf und davon im schnellen Flug,
Daß rings erbebte die Erde.
Doch die Zigeuner blieben hier,
Die feurigen Gesellen,
Und spielten alte Lieder mir
Rakoczys, des Rebellen.
Text: Nikolaus Lenau - Lizenz: Public Domain