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Rodenstein

Der Willekumm

Und als der Herr von Rodenstein
Zum Frankenstein sich wandte,
Empfing er seinen Ehrenwein,
So wie es Brauch im Lande.
In Beerbach vor dem Rathaus bracht'
Der Zentgraf mit den Bauern
Den Kauzenkrug. Der Alte lacht:
"Nur her mit euerm Sauern!
Ihr Mannen macht das Armbein krumm,
Der Willekumm gaht um, gaht um,
Holliro, das Bauernkäuzlein
Gaht um, gaht um!"

Als er von dort sich durchgezerrt,
Zur Frankensteiner Linde,
Stand Weg und Durchpaß dicht gesperrt
Vom jungen Burggesinde:
Ein Reiterstiefel lebensgroß
Von Ton, ein feinbemalter,
Ward ihm gefüllt kredenzt aufs Roß
Und alles sang den Psalter:
"Ihr Mannen, macht das Armbein krumm,
Der Willekumm gaht um, gaht um,
Halliro, der große Stiefel
Gaht um, gaht um!"

Im Burghof grüßt' ein zweiter Schwarm
Ihn mit Karthaunenzündung,
Da schwang der Burgherr selbst im Arm
Des zweiten Stiefels Ründung.
Des Schloßbergs Feinsten goß man ein
Und würdig sprach der Ritter:
"Herr Nachbar, nit auf ehnem Bein!
Der hier schmeckt auch nicht bitter.
Ihr Mannen, macht das Armbein krumm,
Der Willekumm gaht um, gaht um,
Holliro, der große Stiefel
Gaht um, gaht um."

Der Rodenstein trank aus und rief:
"Gott segne deine Nase!
Die meine bog sich beinah schief
Von solchem Strom im Glase.
Jetzt wöll'n wir in dem Rittersaal
Ausruhn vom ersten Tosen;
Mir ahnt, dort füllt dein Ehgemahl
Das Trinkhorn Karls des Großen.
Und nochmals heißt's: das Armbein krumm,
Der Willekumm gaht um, gaht um,
Holliro, des Kaisers Hörnlein
Gaht um, gaht um."

... Beim Abschied andern Morgens war
Ein Nebel weit und breite,
Da bracht man ihm das Stammbuch dar
Zum Eintrag, eh' er scheide.
Und zittrig schrieb er: "Kund soll sein,
Daß ich hie eingeritten
Und lob' das Haus zum Frankenstein
Als Haus von guten Sitten:
Der Willkumm hat mir so gemund't,
Daß ich das Bett nicht finden kunnt',
Holliro, nicht nur der Stiefel,
's ging alles um!"

Die Pfändung

Und wieder saß beim Weine
Im Waldhorn ob der Bruck
Der Herr vom Rodensteine
Mit schwerem Schluck und Gluck.

Der Wirt sprach tief in Trauer:
"Daß Gott sich mein erbarm'!
Der sitzt wie eine Mauer
Und trinkt mich nächtens arm.

Wie soll das all noch enden?
Kein' Pfenning gibt er her ...
Ich glaub', ich laß ihn pfänden,
Sonst weicht er mir nicht mehr!"

Der Fronvogt samd dem Büttel
Kam handfest an im Horn:
"Heraus den Sammetkittel,
Die Stiefel und die Sporn.

Heraus des Mantels Zierde,
Handschuh und Zobelhut!
Verfallen diesem Wirte
Ist all Eu'r Hab und Gut!"

Da lacht der Rodensteiner:
"Nur zu! ... wie wird mir wohl!
's trinkt leichter sich und feiner
Im Unterkamisol!

Und bis ihr mir die Kehlen
Könnt pfänden aus dem Hals,
Werd' ich noch manchen quälen,
Der Wein schenkt in Kurpfalz!"

Der Knapp

Der Herr vom Rodensteine
Sprach fiebrig und schabab:
"Ungern duld' ich alleine,
Wo steckt mein treuer Knapp?

Ich spür' in Haupt und Magen
Ein Stechen und Geschlapp ...
Diesmal geht mir's an Kragen,
Wo steckt mein treuer Knapp?"

Der Reitersjungen viere
Durchsuchten Weg und Steg:
Der Knapp saß fest beim Biere,
Juhei! im Bremeneck.

Er trank und sprach mit Trauern:
"Du braver Rondenstein!
Allein ich muß bedauern,
Ich kann nicht bei dir sein!

Ist dir 'was zugestoßen -
Auch ich hab 'was erlebt:
Ich bin mit Rock und Hosen
Hier völlig festgeklebt."

Die Jungen meld'ten traurig
Dem Kranken, was gescheh'n,
Da sprach er fieberschaurig:
"O Knapp, das ist nicht schön!

Lässest du dein'n Herren schwitzen
In solcher Not und Plag',
So sollst du übersitzen
Bis an den jüngsten Tag!"

Er sprach's und starb im Fieber,
Sein letztes Wort traf zu,
Der Knapp sitzt heut noch über,
Es läßt ihm keine Ruh.

Und Nachts wie Sturmgewitter
Jagt's oft straßauf, straßab,
Das ist der alte Ritter,
Er ruft: "Wo steckt mein Knapp?!"

Das wilde Heer

Das war der Herr von Rodenstein,
Der sprach: "Daß Gott mir helf,
Gibt's nirgends mehr 'nen Tropfen Wein
Des Nachts um halber Zwölf?"
'Raus da! 'Raus aus dem Haus da!
Herr Wirt, daß Gott mir helf,
Gibt's nirgends mehr 'nen Tropfen Wein
Des Nachts um halber Zwölf?"

Er ritt landauf, landab im Trab,
Kein Wirt ließ ihn ins Haus;
Todkrank noch seufzt vom Gaul herab
Er in die Nacht hinaus:
"Raus da! 'Raus aus dem Haus da!
Herr Wirt, daß Gott mir helf,
Gibt's nirgends mehr 'nen Tropfen Wein
Des Nachts um halber Zwölf?"

Und als mit Spieß und Jägersrock
Sie ihn zu Grab getan,
Hub selbst die alte Lumpenglock
Betrübt zu läuten an:
"Raus da! 'Raus aus dem Haus da!
Herr Wirt, daß Gott mir helf,
Gibt's nirgends mehr 'nen Tropfen Wein
Des Nachts um halber Zwölf?"

Doch wem der letzte Schoppen fehlt,
Den duld't kein Erdreich nicht;
Drum tobt er jetzt, vom Durst gequält,
Als Geist umher und spricht:
"Raus da! 'Raus aus dem Haus da!
Herr Wirt, daß Gott mir helf,
Gibt's nirgends mehr 'nen Tropfen Wein
Des Nachts um halber Zwölf?"

Und alles, was im Odenwald
Sein' Durst noch nicht gestillt,
Das folgt ihm bald, das schallt und knallt,
Das klafft und stampft und brüllt:
"Raus da! 'Raus aus dem Haus da!
Herr Wirt, daß Gott mir helf,
Gibt's nirgends mehr 'nen Tropfen Wein
Des Nachts um halber Zwölf?"

... Dies Lied singt man, wenn's auch verdrießt,
Gestrengtem Wirt zur Lehr';
Wer zu genau die Herberg schließt,
Den straft das wilde Heer:
"'Raus da! 'Raus aus dem Haus da!
Rumdiridi, Freijagd!
Hoidirido, Freinacht!
Hausknecht hervor!
Öffne das Tor!
'Raus! 'raus! 'raus!"

Der Überfall

Und wieder sprach der Rodenstein:
"Hallo! mein wildes Heer!
In Tiefschluckhausen fall' ich ein
Und trink' den Pfarrer leer.
"Raus da! 'Raus aus dem Haus da!
Herr Pfarr, daß Gott Euch helf!
Gibts nirgends mehr 'nen Tropfen Wein
Des Nachts um halber Zwölf?"

Der Pfarr, ein tapfrer Gottesmann,
Trat streitbar vor sein Tor,
Mit Weihbrunn, Skapulier und Bann
Die Geister er beschwor:
"Raus da! 'Raus aus dem Haus da!
Daß Euch der Satan helf,
Kriegt Ihr ein' einzigen Tropfen Wein
Des Nachts um halber Zwölf?"

Doch fröhlich brummt der Rodenstein!
"O Pfarr, ich fang' dich doch!
Ein Geist, der nicht zum Tor kommt 'rein,
Probiert's am Kellerloch!
'Nein da! .. 'Nein zu dem Wein da!
Hurra! schon sind wir drin!
Sein Keller ist nicht schlecht besetzt.
Hurra! wir trinken ihn!"

O armes, frommes Pfarrerherz,
Heut hat der Böse Macht!
Vergeblich rief er kellerwärts,
Daß das Gewölbe kracht:
Schwein' da .. Schwein' da .. bei dem Wein da!
Heißt das sich aufgeführt?
So laßt mir doch die Kompetenz,
Die einem Pfarr gebührt!"

Und als die Glocke Ein Uhr schlug,
Das Heer sang dumpf und hohl:
"Herr Pfarr, Herr Pfarr, jetzt ha'n wir gnug,
Herr Pfarr, jetzt lebet wohl!
'Raus jetzt! 'Raus aus dem Haus jetzt!
Herr Pfarr, und bleibt gesund!
's fließt nirgends mehr ein Tropfen Wein
Aus Krug und Hahn und Spund."

Da flucht der Pfarr: "Ich dank recht sehr,
Schwernot! Ist alles hin,
So will ich selbst im wilden Heer
Als Feldkaplan mitzieh'n!
'Naus jetzt! 'Naus aus dem Haus jetzt!
Herr Ritter ich schlag' ein:
Ist all mein Wein zum Teufel, soll
Ein and'rer Pfarrherr sein!
Hussa, hallo!
Jo, hihaho!
Rumdiridi, langt's nit,
Hoidirido, selbst mit!
Höllischer Chor,
Heut reit' ich vor:
'Naus! 'naus! 'naus!!"

Die Fahndung

Und wieder sprach der Rodenstein:
"Pelzkappenschwerenot!
Hans Breuning, Stabstrompeter mein,
Bist untreu oder tot?
Lebst noch? .. Lebst noch und hebst noch?
Man g'spürt dich nirgends mehr ...
Schon naht die durstige Maiweinzeit,
Du mußt mir wieder her!"

Er ritt bis er gen Darmstadt kam,
Kein Fahnden war geglückt;
Da lacht' er, als am schwarzen Lamm
Durchs Fenster er geblickt:
"Er lebt noch! .. Lebt noch und hebt noch!
Doch frag' mich keiner: wie?
Wie kommt mein alter Flügelmann
In solche Kompagnie?"

In Züchten saß der Stammgastschar
Nach Rang und Würden dort,
Dünnbier ihr Vespertrünklein war,
Es klang kein lautes Wort.
"Sacht stets! .. Sacht und bedacht stets
Ist Lebens Hochgenuß,"
So flüstert ein Kanzleimann just
Zum Kreisamtssyndikus.

In dieser Schöppleinschlürfer Reih'
Saß auch ein stilles Gast,
Und als es acht Uhr war vorbei,
Nahm's Stock und Hut mit Hast.
"Acht jetzt! .. acht jetzt .. gut Nacht jetzt!
Einst war ich nicht so brav,
Doch ehrbar wandeln ist das Best'!
Ich geh' ins Bett und schlaf'."

Der Rodenstein in grimmen Zorn
Hub grau'nhaft sich empor;
Dreimal stieß er ins Jägerhorn
Und bließ mit Macht den Chor:
"'Raus da! 'Raus aus dem Haus da!
'Raus mit dem Deserteur!
Das lahme, zahme Gast da drin
Gehört zum wilden Heer!"

Da faßt das Gast ein Schreck und Graus,
Erst sank es tief ins Knie,
Dann stürzt es einen Maßkrug aus,
Schlug's Fenster ein und schrie:
"'Naus da! 'Naus aus dem Haus da!
O Horn und Sporn und Zorn!
O Rodenstein! O Maienwein!
Noch bin ich nicht verlor'n.
Rumdiridi, Freijagd!
Hoidirido, Freinacht!
Alter Patron,
Empfah' deinen Sohn!
Hussa, Hallo!
Jo, hihaho!
'Naus, 'naus, 'naus!"
Text: Victor von Scheffel - Lizenz: Public Domain