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Lied des Armen

Stände noch das Feld im Flore
Wie in warmer Sommerzeit,
Ging' ich aus dem dunklen Thore
In die Waldeseinsamkeit.

Legt' im tiefsten Wald mich nieder,
Wo der Vöglein Nachtquartier,
Und es sängen ihre Lieder
Nachtigallen über mir.

Doch verschneiet Markt und Gassen
Nun der böse Winter hat,
Und ich wandre arm, verlassen,
Durch die fremde, stille Stadt.

Späte Gäste gleich Gespenstern
Schlüpfen da und dort ins Haus,
Und der Nachtwind an den Fenstern
Löscht die letzten Lampen aus.

Nur aus einem noch sprüht Glänzen
Weithin in den bleichen Schnee,
Spielen auf da drin zu Tänzen,
Klingt hier draußen fast wie Weh.

Und im mitternächt'gen Sturme,
Der am Himmel brausend zieht,
Singt das Glockenspiel vom Turme
Über mir ein frommes Lied.

An dem Kirchhof die Kapelle
Ladet mich zur müden Ruh',
Und ich leg' mich auf die Schwelle,
Und die Nacht, sie deckt mich zu.

Wolle Gott die Stadt bewahren,
Mild behüten Hof und Haus! -
Die da tanzen, die da fahren,
Hier doch ruhen alle aus!
Text: Joseph von Eichendorff - Lizenz: Public Domain