Zentraler Omnibus Bahnhof in der Nordstadt – freie Fahrt für Billigheimer und für mehr Rußschleudern
Der folgende Text wurde am 14.10.2018 auf der Webseite https://gewerkschaftsforum.de veröffentlicht.Es ist ein Skandal, dass für die Umrüstung der dreckigen Dieselmotoren auf Kosten der Autohersteller der Grenzwert einfach nochmal angehoben wurde. Anstelle der geltenden 40 Mikrogramm wurde nun eine Überschreitung von 50 Mikrogramm Stickoxide zugrunde gelegt, damit man am Ende nur in 14 „Intensivstädten“ tätig werden muss. Wäre man bei dem geltenden Grenzwert geblieben, dann hätten Dieselautobesitzer in rund 65 Städten ein Recht auf Umrüstung gehabt, Dortmund wäre auch dabei gewesen.
Doch sollten die verantwortlichen Kommunalpolitiker nun keine Krokodilstränen vergießen, denn in Dortmund sind die Gründe dafür, dass der stark gesundheitsschädigende Stickstoff, der in der Stadt deutlich über den EU-Grenzwerten liegt, zum großen Teil hausgemacht. Ein Beispiel dafür ist der Zentrale Omnibus Bahnhof (ZOB) in der Nordstadt.
Hatten Politik und Verwaltung vor einiger Zeit noch beteuert, der Standort des ZOB werde nur vorübergehend in der umweltbelasteten Nordstadt sein, soll er nun dort für immer bleiben. Mehr noch, er wird ausgebaut, um Platz für doppelt so viele Fernbusse als heute zu bieten.
Interessant ist, hier noch einmal den Artikel vom April 2014 zur Errichtung des ZOB zu lesen.Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb sich die Stadt Dortmund schon ganz frühzeitig und ohne Not für den Standort für das Deutsche Fußballmuseum südlich des Bahnhofs und z.B. nicht für die Freifläche nördlich des Bahnhofs entschieden hat. Dort hin wurde aber dann im Schnellverfahren der Zentrale Omnibus Bahnhof (ZOB) als zusätzliche Emissionsquelle verlegt, mit immensen Auswirkungen für die schon am höchsten mit Lärm und Abgasen belastete Örtlichkeit in Dortmund. Den ZOB kann man aber auch als ein Symbol für die erheblichen strukturellen Änderungen im Fernreiseverkehr sehen.
Der Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung, Wohnen und Immobilien hat in seiner Sitzung am 13.04.2011 beschlossen, den Bebauungsplan InN 232-ZOB Steinstraße im beschleunigten Verfahren nach § 13 a (Bebauungspläne der Innenentwicklung) aufzustellen. In diesem Verfahren muss es dann keine systematische Umweltprüfung geben und auf die Durchführung einer formellen Bürgeranhörung kann verzichtet werden. Lediglich muss der Planentwurf öffentlich ausgelegt werden.
Viele Bürger in der Nordstadt fürchteten die Auswirkungen:
– erhebliche Verkehrsmengenzunahme durch den Busverkehr und des Zubring- und Abholverkehrs der Fahrgäste
– noch mehr Verkehr auf den Straßen Treib-, Grüne-, Stein- und Heiligengartenstraße, die zu den meist befahrenen Straßen in Dortmund gehören
– Zunahme der Luftschadstoffbelastungen; der jetzt schon permanent überschrittene Jahresmittelwert für Feinstaub wird noch häufiger überschritten mit weiteren Gesundheitsfolgen für die Anwohner
– Zunahme des Verkehrslärms; schon ohne ZOB werden in diesem Bereich häufige die Orientierungswerte der der DIN 18005 überschritten
und
die weitere Versiegelung einer der letzten Grünflächen in der nördlichen Innenstadt.
In einer Stellungnahme des Autors an das Stadtplanungs- und Bauordnungsamt wird zudem darauf hingewiesen, dass der PCB-Envio-Skandal noch nicht aufgeklärt und seine gesamten Auswirkungen nicht erfasst sind und jetzt schon in der nördlichen Innenstadt durch die ZOB-Verlegung eine weitere Umweltbelastung und Gesundheitsgefährdung errichtet wird. So verkommt auch die damals bestehende „LKW-Entlastungszone Nordstadt“ zur Worthülse. Außerdem wäre der Bau des Fußballmuseums auf der Nordseite des Bahnhofs eine Bereicherung für den Stadtteil gewesen und hätte endlich einmal ein Symbol für neue städtebauliche Impulse in die Nordstadt gebracht.
Wegen mangelnder Information und Mobilisierung der Anwohner aus der Grüne Straße, Kurfürstenstraße, nördliche Uhlandstraße und Steinstraße konnte niemand aus der unmittelbaren Umgebung gefunden werden, der eine durchaus erfolgversprechende Normenkontrollklage gegen die ZOB-Verlegung hätte einreichen können. Wie sich später herausstellte, wäre die Nähe des Wohnortes zum neuen ZOB von elementarer Wichtigkeit gewesen.
Hier sollten alle Akteure, die gegen die Verlegung des ZOB in die Nordstadt waren, noch einmal reflektieren, welche Rolle sie selbst in dem Spiel gespielt haben und wie ernst ihnen der Widerstand gegen die Verlegung des ZOB eigentlich war.
Am 01.09.2011 wurde beim Oberverwaltungsgericht in Münster Normenkontrollantragsschrift durch die Anwältin des Autors eingereicht. Der Antrag lautete, den Bauungsplan InN232 für unwirksam zu erklären. Nach einigem Hin- und Her, kam es immer wieder auf die Entfernung des Wohnortes des Antragsstellers zum geplanten ZOB an. Für die Auswirkungen der Gesundheitsbeeinträchtigung war dies für das Gericht elementar wichtig. Die Entfernung wurde dann nochmals offiziell auf wahrheitsgemäße 1,3 km nach unten korrigiert.
Dann kam der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster (vom 27.07.2012 Az: 7 D 62/11.NE), der keine Rechtsmittel zuließ: Da der Antragsteller zu weit vom geplanten ZOB weg wohnt, ist er nicht antragsbefugt und der Antrag ist unzulässig. Also 1,3 km Abstand zur Gefahrenquelle sind zu weit entfernt. Neuere höchstrichterliche Entscheidungen in den USA gehen dann von einer klaren Gesundheitsgefährdung bei Luftbelastungen aus, wenn die Gefahrenquelle mindestens im 5 km Umkreis liegt. Dies wurde dem Oberverwaltungsgericht in Münster früh genug mitgeteilt – es hatte aber keine Auswirkung für seine Entscheidung, da der Antragsteller eben mit den 1,3 km zu weit weg wohnt.
Außer Spesen (für den Antragsteller) nichts gewesen.
Der neue Standort gilt offiziell allerdings als Provisorium. Mit dem Umbau des Hauptbahnhofs soll ein endgültiger Standort gefunden werden. Dies wird aber, wenn es denn überhaupt umgesetzt wird, noch einige Jahre dauern.
Die erste Fernbuslinie startete dann am 30.11.2012 mit Dortmund – Düsseldorf – Freiburg für 41,50 für die einfache Fahrt. Wer früh bucht, bekommt die Fahrt schon für 18,00 Euro vom neuen ZOB aus.
Anbieter dieses Schnäppchens ist „MeinFernbus.de“.
Auf der Homepage MeinFernbus.de ist zu lesen: „Die MFB MeinFernbus GmbH wurde im Juni 2011 in Berlin gegründet und agiert unabhängig von großen Verkehrskonzernen. Wir verstehen uns als Partner und Impulsgeber für die mittelständische Verkehrs- und Tourismuswirtschaft.
Im Unternehmen bündelt sich detailliertes Know-How über den europäischen Fernverkehrsmarkt. Das Team besitzt zudem fundierte Expertise in den Bereichen Netzplanung, Vertrieb, Vermarktung und Service. Durch das umfassende Markt- und Kundenverständnis und die Erfahrungen in der Leitung von Großprojekten bringen die Gründer die notwendigen Faktoren für eine erfolgreiche Unternehmensführung mit.
Bereits im April 2012 eröffneten wir unsere erste Fernbuslinie – nach alter Rechtslage. Noch bevor die Liberalisierung des Fernbusmarktes endgültig in Kraft trat, fuhren wir bereits mit 30 grünen Bussen auf 8 Fernbuslinien 26 Städte an. Wir werden die Liberalisierung nun nutzen, um deutlich zu wachsen und ein dichtes gesamtdeutsches Netz aufzubauen. Im Betrieb der Linien arbeiten wir mit ausgewählten mittelständischen Busunternehmen zusammen, die jeweils in ihren Regionen die Qualitätsführer sind.
Die Gründer – der Motor von MeinFernbus sind
Torben Greve, Jahrgang 1975; Diplom-Kaufmann
• Selbstständiger Reiseveranstalter für Studenten-Reisen
(1998-2001)
• Mitarbeiter, später Leiter Linienmanagement der
DB Fernverkehr AG (2001-2006)
• Leiter eTicketing-Projekt „Touch & Travel“ (2006-2008)
• Leitung von Strategie-Projekten (Bus & Schiene)
für verschiedene nationale und internationale Verkehrsunternehmen als Unternehmensberater (2008-2011)
Panya Putsathit, Jahrgang 1975; Diplom-Kaufmann
• Manager bei der Unternehmensberatung Accenture, Beratungsprojekte im Bereich Vertrieb und Service; (2002 –2009)
• Mitarbeiter bei der Konzeption und Einführung des Vertriebssystems der Deutschen Bahn AG (2002-2004)
• Leiter verschiedener internationaler CRM-, Vertriebs- und Kundenservice-Projekte (2004-2009)
• Senior Manager bei PayPal, Gestaltung von eCommerce Plattformen und Online Kundenakquise-Kampagnen (2009-2011)“
Es entsteht der Eindruck, dass da einige Yuppies aus dem Umfeld der Deutschen Bahn in Zusammenarbeit mit Unternehmensberatungen ein Fernbusunternehmen gründen, das schon vor der Freigabe des Fernreisebusverkehrs frühzeitig in die Startlöcher gestellt wurde und dann in dem harten aber freien Wettbewerb die besten Chancen erhält. Mittlerweile ist MeinFernbus Marktführer geworden.
Da kann man sehen, wie sehr die Deutsche Bahn doch von der Autolobby beeinflusst ist. Die Vertreter der Autoindustrie sind seit der privatrechtlichen Verfasstheit der Bahn systematisch in die entsprechenden Führungsfunktionen gehievt worden.
Mit solchen Geschäftsmodellen, die sich nur über geringe Personalkosten rechnen können wird jetzt in den Anfangsjahren ein erbitterter Kampf um Marktanteile geführt. Am Ende werden nur ein paar Riesen übrig bleiben und können dann die Preise mit ihren neuen Monopolen diktieren. So ist es kein Zufall, dass nun auch das Konsortium POSTBUS/ADAC in den Ring gestiegen ist und zeigt, wie lukrativ das Busferngeschäft in Zukunft sein wird, auf Kosten des Fahr- und Verwaltungspersonals.
Das Bundesverkehrsministerium, das selbst auch permanent von der Automobillobby bedrängt wird, gibt dann, wie gewünscht bekannt: „Mit der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur die Liberalisierung des inländischen Fernbuslinienverkehrs umgesetzt. Die Neuregelung ist am 1. Januar 2013 in Kraft getreten.
Der Verbraucher hat nun die Möglichkeit, auch über längere Strecken kostengünstig und umweltfreundlich mit dem Bus zu reisen. Der Bus ist eine echte Alternative zum Auto.
Kernpunkte:
• Im Fernbuslinienverkehr soll freier Wettbewerb bestehen. Der bisherige Konkurrenzschutz von Eisenbahnfernverkehr und bereits vorhandenen Fernbuslinien entfällt.
• Geschützt bleibt der öffentliche Nahverkehr mit Bussen und Bahnen. Die Beförderung von Personen im Fernbus zwischen zwei Haltestellen mit einem Abstand von bis zu 50 km ist grundsätzlich unzulässig. Dies gilt auch für die Strecken, auf denen Schienenpersonennahverkehr mit einer Reisezeit bis zu einer Stunde betrieben wird. Besteht kein ausreichendes Nahverkehrsangebot, kann die Genehmigungsbehörde aber für einzelne Teilstrecken die Beförderung zulassen.
• Genehmigungen durch die zuständigen Landesbehörden gewährleisten Sicherheit und Qualität.
• Die neuen Verbindungen müssen von den Unternehmen in eigener Initiative und auf eigenes wirtschaftliches Risiko eingerichtet und betrieben werden. Hiervon profitieren sowohl etablierte Verkehrsunternehmen als auch junge Unternehmen mit innovativen Geschäftsideen.
Bislang unterlag der Markt erheblichen Restriktionen. Nach alter Gesetzeslage (§ 13 PBefG) konnte ein fahrplanmäßiger Busverkehr grundsätzlich nicht genehmigt werden, wenn eine parallele Eisenbahnverbindung vorhanden war („Verbot der Doppelbedienung“).“
Die hier genannten Restriktionen waren doch nur gut. Sie schützten den öffentlichen Personen-, Nah- und Fernverkehr vor profitgierigen Investoren, waren umweltgerecht und sollten doch mehr Personen vom individuellen auf den öffentlichen Fernverkehr umsteigen lassen. Außerdem wurden die Interessen der gut organisierten Beschäftigten im Bahn-Fernreiseverkehr doch noch halbwegs gut berücksichtigt.
Durch die sogenannte Bahnreform, die seit 20 Jahren läuft ist die demokratische Aufsicht und Steuerung breitwillig zugunsten einer privatrechtlichen Organisation geopfert worden. Dieser Prozess war mit einer riesigen Arbeitsplatzvernichtung im Bereich Bahnindustrie und Schiene verbunden, bei gleichzeitigem Ausbau des weltweiten Geschäfts.
Was das alles für die Kundschaft und für die Beschäftigten bedeutet, haben wir in den vergangenen Jahren als Bahnreisende hautnah erlebt.
Der neue „freie Wettbewerb“ im Fernbuslinienverkehr bedeutet lediglich: Freie Fahrt für Billigheimer und freie Fahrt für mehr Russschleudern in der Dortmunder Nordstadt.
Text: Laurenz Nurk - Lizenz: CC BY-NC-ND 3.0 DE