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Suschens Vogel

Ich hatt ein Vöglein, ach wie fein!
Kein schöners mag wohl nimmer sein:

Hätt auf der Brust ein Herzlein rot,
Und sung und sung sich schier zu Tod.

Herzvogel mein, du Vogel schön,
Nun sollst du mit zu Markte geht! -

Und als ich in das Städtlein kam,
Er saß auf meiner Achsel zahm;

Und als ich ging am Haus vorbei
Des Knaben, dem ich brach die Treu,

Der Knab just aus dem Fenster sah,
Mit seinem Finger schnalzt er da:

Wir horchet gleich mein Vogel auf!
Zum Knaben fliegt er husch! hinauf;

Der koset ihn so lieb und hold,
Ich wußt nicht, was ich machen sollt,

Und stund, im Herzen noch so erschreckt,
Mit Händen mein Gesicht deckt',

Und schlich davon und weinet' sehr,
Ich hört ihn rufen hinterher:

"Du falsche Maid, behüt dich Gott,
Ich hab doch wieder mein Herzlein rot!"
Text: Eduard Mörike - Lizenz: Public Domain