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Erster Gesang

Ich singe, was für grausame Beleidigungen aus verliebten Ursachen entspringen, was für ein mächtiger Streit aus Kleinigkeiten entstehet - Muse! dieses Gedicht bist du dem Caryl schuldig: und selbst Belinde würdige dasselbe, es zu lesen. Der Inhalt ist unerheblich; aber nicht mein Ruhm, wenn sie mich begeistert, und er meinen Gesang billiget.
Sage, Göttin, welch ein besonderer Bewegungsgrund konnte einen gesitteten Lord bewegen, eine artige Schöne anzugreifen? o sage, welch eine noch fremdere, doch verborgene Ursache konnte eine artige Schöne bewegen, einen Lord zu verstossen? Können kleine Männer so kühne Dinge wagen, [2] und wohnet in sanften Busen ein so mächtiger Zorn?

Phöbus [3] schoß einen furchtsamen Strahl durch die weissen Vorhänge, und öfnete diejenigen Augen, die den Tag verdunkeln würden. Jetzo schüttelten und ermunterten sich Schooßhünde, und schlaflose Liebhaber erwachten genau um zwölf Uhr. Dreymal ertönte die Glocke, der Pantoffel schlug den Boden, und die gedrückte Uhr gab einen silbernen Klang zurück. [4] Belinde drückte noch ihr Federbette. [5] Ihr Schutzgeist, ein Sylphe, verlängerte ihren balsamischen Schlaf. Er hatte den Morgentraum vor ihr stilles Bette gebracht, der um ihr Haupt flatterte. Ein Jüngling, schimmernder, als ein Stutzer an einem Geburtstage, (vor dem so gar ihre Wangen im Schlummer glüheten,) schien seine schmeichelhafte Lippen auf ihr Ohr zu legen, und sagte flisternd, oder schien also zu sagen:
Schönste unter den Sterblichen, du besondere Sorge von tausend glänzenden Bewohnern der Luft, wenn jemals in deiner Kindheit ein Gesicht von allen dem, was die Ammen, und von allem, was die Priester lehrten, deine Seele gerührt hat, von lustigen Alpen, die sich im Schatten beym Mondschein sehen lassen, von silbernen Geschenken und von dem runden Kranze; oder von Jungfrauen, welche von Engeln mit güldenen Kronen, und Kränzen von himmlischen Blumen, Besuch empfiengen; so höre und glaube! Lerne erkennen, wie wichtig deine Person ist, und schränke deine engen Aussichten nicht auf irrdische Dinge ein. Gewisse geheime Wahrheiten, die dem gelehrten Stolze verborgen, sind allein den Mädchen und Kindern geoffenbaret. Wenn zweifelnde Klüglinge nicht glauben wollen, so sollen doch die Schöne und die Unschuld glauben. Wisse demnach, unzählige Geister fliegen um dich her, die leichte Militz des untern Himmels. Diese regen beständig, obgleich ungesehn, die Flügel, hangen über dir in der Loge, und flattern um dich in Gesellschaft. Erinnere dich, was für ein Gefolge du in der Luft hast, und siehe mit Verachtung zwey Pagen und eine Kutsche an. [6] So wie jetzo das deinige ist, so waren vormals unsere Wesen beschaffen, und in dem schönen Leib eines Frauenzimmers eingeschlossen. Von da kommen wir, durch einen sanften Übergang, aus Leibern von Erde in diese Leiber von Luft. Glaube nicht, wenn der flüchtige Hauch eines Frauenzimmers dahin ist, daß alle ihre Eitelkeiten zugleich sterben. Sie behält noch immer neue Eitelkeiten; und ob sie gleich nicht mehr spielet, so siehet sie doch die Karten über. Ihre Freude in vergüldeten Wagen, als sie noch lebte, und ihre Liebe zum Lomberspiel überleben sie noch nach ihrem Tode. Denn wenn die Schönen in allem ihren Stolz sterben, so begeben sich ihre Seelen wieder zu ihren ersten Elementen. Die Geister feuriger Zänkerinnen steigen in einer Flamme auf, und nehmen den Namen Salamander an. Sanfte nachgebende Seelen gleiten in Wasser dahin, und schlurfen mit den Nymphen ihren elementarischen Thee. Die stolzere Spröde sinket zu einem Gnomen hinab, um auf der Erde herum zu schwärmen, und Unheil anzustiften. Die leichtsinnigen Buhlerinnen erheben sich wieder als Sylphen in die Höhe, und spielen und flattern in den Feldern der Luft.

Wisse noch ferner, alle diejenigen, die schön und keusch sich des männlichen Geschlechts enthalten, werden von irgend einem Sylphen umarmet: [7] denn Geister, die von menschlichen Gesetzen befreyet sind, nehmen nach Gefallen jedes Geschlecht und jede Gestalt an, welche sie wollen. Was bewahret die Keuschheit schmelzender Mädchen in Bällen am Hofe, und in mitternächtlichen Masqueraden, von dem verrätherischen Freund, von dem kühnen und losen Schalk, dem Blicke bey Tage, dem Geflister im Dunkeln, wenn eine glückliche Gelegenheit sich ihren heissen Begierden darbeut, wenn die Musik sie erweichet, und der Tanz befeuret? Bloß ihr Sylphe; das wissen nur die klugen Himmlischen, [8] obgleich Ehre der Name ist, den ihm die Menschen auf Erden geben.

Einige Nymphen, die sich ihres schönen Gesichts zu sehr bewußt sind, werden Lebenslang der Umarmung der Gnomen überlassen. Diese machen sie hochmüthiger in ihren Hoffnungen, und erheben ihren Stolz, wenn sie Geschenke verachten, und Liebe versagen. Alsdenn drängen sich frohe Ideen in ihrem müßigen Gehirn, wenn Pairs und Herzöge, und ihr ganzes prächtiges Gefolge, und Ritterbänder, Sterne und Coronets erscheinen, und mit einem sanften Tone ein Ihr Gnaden ihr Ohr grüsset. Diese sind es, die die weibliche Seele frühzeitig unterrichten, die Augen der jungen Buhlerinnen sich flüchtig bewegen, die Wangen des Kindes eine erzwungene Röthe annehmen, und kleine Herzen vor einem Stutzer schlagen, lehren.

Oft, wenn die Welt glaubt, daß ein Frauenzimmer einen Irrthum begehe, so führen die Sylphen dieselbe durch mystische Labyrinthe, begleiten sie durch den ganzen schwindlichten Cirkel fort, und verjagen eine alte Thorheit durch eine neue. Was für ein zärtliches Mädchen müßte nicht dem Gastmahle eines Mannes ein Opfer werden, wenn nicht ein anderer einen Ball anstellte. Welch eine Jungfrau könnte widerstehen, wenn Florio redet, wenn nicht der artige Damon ihr zugleich die Hand drückte? Mit abwechselnden Eitelkeiten von allen Seiten verändern sie das wandelbare Spielschrank ihres Herzens; worin Perüken mit Perüken, Degenquäste mit Degenquästen streiten, Stutzer Stutzer verbannen, und Kutschen Kutschen vertreiben. Irrende Sterbliche mögen dieses Leichtsinnigkeit nennen, zu blind, die Wahrheit zu sehen! die Sylphen verrichten dieses alles.

Zu diesen gehöre ich, der ich ein Recht auf deinen Schutz habe; ein wachsamer Geist; Ariel ist mein Name. Neulich, als ich die kristallenen Felder der Luft durchstrich, ach! da sahe ich in dem reinen Spiegel [9] deines regierenden Sterns einen schrecklichen Zufall, der dich bedrohete, ehe diese Morgensonne noch ins Meer hinabsteigt; aber der Himmel offenbarte mir nicht, was für ein Zufall, oder wie, oder wo. O! fromme Schöne, dein Sylphe warnet dich, hüte dich! [10] Dieses dir entdecken, ist alles, was dein Schutzgeist kann: Hüte dich für allem, aber am meisten hüte dich für Männern!

Er sagts, als Schock, welcher glaubte, daß sie zu lange schliefe, aufsprang, und seine Beherrscherin mit seiner Zunge weckte. Damals, wofern das Gerücht die Wahrheit saget, öfnete Belinde zuerst ihre Augen, und warf sie auf ein Billet-Doux. Kaum hatte sie Wunden, Reizungen und Feuer gelesen, als das ganze Gesicht aus ihren Gedanken verschwand.

Und [11] nun stehet der Nachttisch enthüllet und aufgedeckt, mit allen silbernen Geschirren in Mystischer Ordnung. Zuerst betet die Nymphe, in einem weissen Mantel, mit unbedecktem Haupte andächtig die Gottheiten des Putzes an. Ein himmlisches Bild erschien im Spiegel; zu diesem neiget sie sich, auf dieses richtet sie ihre Augen. Eine Unterpriesterin zur Seite ihres Altars fängt mit Zittern die heiligen Gebräuche des Stolzes an. Unzählbare Schätze öfnen sich auf einmal, und hier erscheinen die verschiedenen Opfer der Welt. Von jedem nimmt sie mit sorgfältiger Arbeit zierlich etwas, und schmücket die Göttin mit der schimmernden Beute. Diese Schachtel schließet Indiens glühende Edelgesteine auf, und ganz Arabien düftet aus jender Büchse. Hier versammlet sich die Schildkröte und der Elephantenzahn in Kämme umgeschaffen, einer gesprenkelt, und der andere weiß. Hier breiten Reihen von Stecknadeln ihre schimmernden Reihen aus. Hier liegen Puderquäste, Puder, Muschen, Bibel und Billet-Doux. Nun ziehet die ehrwürdige Schönheit ihre Waffen an; die Schöne erscheinet in jedem Augenblicke besser in ihren Reizungen, stellet ihr Lächeln wieder her, erwecket jegliche Anmuth, und rufet alle Wunder ihres Gesichts hervor. Nach und nach siehet sie eine reinere Röthe aufgehen, und schärfere Blitze in ihren Augen spielen. [12] Die geschäftigen Sylphen versammeln sich um ihre geliebte Schöne, diese putzen den Kopf, und jene scheiteln das Haar. Einige legen den Ermel in Falten, indem andere den Rock pletten; und Betty empfängt das Lob für Arbeiten, die sie nicht verrichtet hat.


[2] In der ersten Ausgabe stand: und wohnet denn solche Wuth in dem zartesten Busen, und wohnen so kühne Seelen in kleinen Männern?
[3] In der ersten Ausgabe stand: Phöbus breitete seine Strahlen durch weisse Vorhänge aus, und öfnete diejenigen Augen, die schöner glänzten als jene; schock hatte sich eben geschüttelt und ermuntert; und Nymphen machten sich fertig, ihre Chokolade zu trinken. Dreymal stieß der angezogene Pantoffel auf den Boden, und schlagende Uhren meldeten die zehnte Stunde.
[4] Belinde drückte noch ec. Alle diese Verse, von hier an bis ans Ende dieses Gesanges, wurden hinzu gesetzt.
[5] Ihr Schutzgeist, ein Sylphe ec. Als Herr Pope den Entschluß gefaßt hatte, dem Gedichte seine jetzige Form zu geben, so war er gezwungen, Maschinen zu erfinden. Denn weil der Inhalt des epischen Gedichtes aus zwey Theilen bestehent, aus dem Metaphysischen und Bürgerlichen, so mußte auch dieses scherzhafte Heldengedicht, welches unter die Satyre gehört, und seine Schönheit von einer scherzhaften Nachahmung der Pracht und Feyerlichkeit des ersten erhält, eine gleiche Eintheilung seines Inhalts haben. Und da der Bürgerliche Theil vorsetzlich durch die Wahl einer unerheblichen Handlung erniedriget wird: so muß es mit dem metaphysischen, durch den Gebrauch eines sehr ausschweifenden Systems, eben so geschehen. Eine Regel, welche unser Verfasser nach seiner guten Einsicht nicht übersehen konnte, obgleich weder Boileau, noch Garth, sorgfältig genug darauf gesehen haben. Und seine vortrefliche Erfindungskunst gab ihm diejenige Art von Maschinen an, die er nach seiner Beurtheilungskraft zu seinem Gebrauch für geschickt hielt. Es war nur ein einziges System vorhanden, welches seiner Absicht dienen konnte; die Philosophie der Rosenkreuzer. Und dieses macht er sich durch Hülfe seiner glücklichen Einbildungskraft so gleich zu eigen. Die fanatischen Alchimisten hatten in ihren Bemühungen das große Geheimniß zu entdecken, Mittel erfunden, die ihrer Absicht völlig gemäß sind. Dieses war eine Art von theologischer Philosophie, die fast aus einer gleichen Vermischung der heidnischen Sätze der platonischen Lehre, der christlichen Guietisten, und der jüdischen Cabbala bestand: ein Ganzes, welches zureichend war, die Vernunft von aller Gemeinschaft mit dem Menschen abzuschrecken. Dieses System, wie er uns sagt, nahm er so, wie er es in einer kleinen französischen Abhandlung unter dem Titel: Le Comte de Gabalis, fand. Dieses Buch ist in Gesprächen geschrieben, und enthält eine feine und sehr sinnreiche Spötterey des Abtes Villiers auf die unsichtbare Sekte, von welcher die Märchen, womit man sich zu der Zeit trug, vielen Lerm in Paris machten. Weil aber Herr Pope in diesem satyrischen Gespräche verschiedene fantastische Einfälle, von einer sehr hohen geheimnißvollen Art fand, welche die Natur dieser elementarischen Wesen bestrafen, und sich zu den Maschinen eines solchen Gedichtes nicht schickten, so hat er sie mit großer Beurtheilung herausgelassen, und an deren Statt von den Märchen von Schutzengeln, Ammenhistorien und von den Fayen, Gebrauch gemacht; welches er künstlich nach dem übrigen System der Rosenkreuzer eingerichtet hat. Wir müssen glauben, wofern wir nicht so lieblos seyn wollen, zu denken, daß er in diesen beyden Zeilen, "wofern jemals ein Gedicht deine kindische Seele gerührt hat, von dem, was die Amme und was der Priester gelehrt hat," hierauf zielet. Auf diese Weise hat er durch die schönste Erfindung, die sich nur denken läßt, gemacht, daß so, wie in einem ernsthaften Heldengedichte die Maschine auf dem Glauben des Volkes beruhet, die Maschine in seinem scherzhaften Heldengedichte den philosophischen Stolz und Hochmuth demüthigen möchte.
[6] Wie jetzo das Deinige ist ec. Hier verläßt er das System der Rosenkreuzer; welches in diesem Stücke selbst für die Poesie zu ausschweifend ist; und giebt eine eigene schöne Erfindung nach der platonischen Theologie, von der Fortdauer der Leidenschaften in einem andern Zustande, wenn die Seele, ehe sie diesen Leib verläßt, nicht durch die Philosophie gereinigt und geläutert ist; welches ihm Gelegenheit zu einer sehr nützlichen Satyre giebt.
[7] Wird von irgend einem Sylphen umarment ec. Hier nimmt der Verfasser einen Lehrsatz aus dem System der Rosenkreuzer an. Aber der Grundsatz, worauf derselbe beruhet, schickte sich auf keine Weise in ein solches Gedicht.
[8] Obgleich Ehre der Name ist ec. Parodie des Homers.
[9] In dem reinen Spiegel ec. Die Sprache der Platonisten,der Scribenten von der verständigen Welt der Geister. ec.
[10] Dieses dir entdecken ec. In der Ausführung dieser Scene herrschet vieler Schmerz. Die Lehre der Rosenkreuzer wurde nur den Adepten allein geoffenbaret, mit der äussersten Behutsamkeit, und mit der feyerlichsten Versicherung, sie geheim zu halten. Hier wird sie einem Frauenzimmer auf eine solche geheimnisvolle Art bekannt gemacht, und zwar auf solche Art, wie ein Frauenzimmer sehr gern von ihren Träumen zu reden pflegt.
[11] Die Übersetzung dieser Verse, welche eine Beschreibung des Nachttisches enthalten, von einem Freunde des Verfassers, dem Dr. Parnell, verdienet ihres Witzes wegen, hieher gesetzt zu werden:
Et nune, dilectum speculum, pro more retectum,
Emicat in mensa, quae splendet pyxide densa:
Tum primum lympha se purgat candida Nympha,
Jumque fine menda, coelestis imago videnda,
Nuda caput, bellos reginet, regit, implet ocellos.
Haec stupet explorans, ceu cultus numen adorans.
Inserior claram Pythonissa apparet ad aram
Fertque tibi caute, dicatque Superbia! laute,
Dona venusta; oris, quae cunctis, plena laboris,
Excerpta explorat, dominamque deamque decorat.
Pyxide devota, se pandit hic India tota,
Et tota ex ista transpirant Arabia cista;
Testudo hic flectit, dum se mea Lesbia bectit;
Atque elephas lente, te pectit Lesbia dente;
Hunc maenlis noris, nivei jacet ille colloris:
Hic jacet et munde, mundus muliebris abunde;
Spinula resplendens aeris longe ordine pendens,
Pulvis fuavis odore, et epistola fuavis amore.
Induit arma ergo veneris pulcherrima virgo;
Puchrior in praensens tempus de tempore crescens,
Jam reparat risus, jam surgit gratia visus,
Jam promit cultu, mirac'la latentia vultu;
Pigmina jam miscet, quo plus sua Purpura gliscet,
Et geminans bellis splendet mage fulgor ocellis.
Stant Lemures muti, Nymphae intentique saluti,
Hic sigit Zonam, capiti locat ille Coronam,
Haec manicis formam, plicis dat et altera normam;
Et tibi vel Betty, tibi vel nitidiffima Letty!
Gloria factorum temore coceditur horum.
[12] Alte Überlieferungen der Rabbinen sagen, verschiedene gefallene Engel hätten sich in Frauenzimmer verliebt, und nennen einige davon. Unter andern den Asael, der mit der Naamah, dem Weibe des Noah, oder des Sam, Umgang gepflogen, in Unbußfertigkeit verharret seyn, und noch die Aufsicht über den Nachttisch des Frauenzimmers haben soll. Bereshi Rabbi in Genes. IV.2
Text: Alexander Pope - Lizenz: Public Domain