Der Bann
Leb wohl, Geliebte! ich muß scheiden;Es treibt mich fort in Angst und Qual,
Fort von der Wohnstatt meiner Freuden,
Fort von dem Weibe meiner Wahl.
Nicht dieser Blick und diese Zähren,
Verbirg dein holdes Angesicht!
Du kannst das Scheiden mir erschweren,
Doch mir ersparen kannst du's nicht!
Denn wisse, wenn du mich umschlungen,
Umschlangst du keinen freien Mann,
Der Abgott deiner Huldigungen,
Er ist belegt mit Acht und Bann.
Der Fürstin, der die Welt zu eigen,
Der alles huldigt, was da lebt,
Vor der sich alle Wesen beugen,
Hab' ich im Wahnsinn widerstrebt.
Mit ihrer Schwester, sinnverwirret,
Die ohne Heimat, ohne Haus,
Durch Erd' und Luft und Wellen irret,
Zog ich in wilder Jagd hinaus.
Im Mondenglanz, auf flücht'gem Fuße
Schlang ich mit ihr den Geisterreihn,
Und alles Wirklichen Genusse
Entsagt' ich um den holden Schein.
Da sprach die Fürstin zornentglommen:
"Verschmähst du so, was ich dir bot?
So sei's auf immer dir genommen,
Du vogelfrei bis an den Tod!
Von Wunsch zu Wunsch in ew'ger Kette,
Und rastlos, wie du bist, so bleib!
Dir sei kein Haus und keine Stätte,
Kein Freund, kein Bruder und kein Weib!
Ein Büttel aber beigegeben,
Um dich, in dir, lass' er dich nie:
Er peitsche rastlos dich durch's Leben,
Der wilde Dämon Phantasie!
Er heiße dich nach allem fassen,
Was irdisch schön, mit raschem Geiz;
Doch hältst du's, müssest du es hassen,
Und Mängel sieh in jedem Reiz!
Verdammt, Schatten nachzujagen,
Buhl doch um Augenblickes Kuß;
Es fehle Kraft dir zum Entsagen,
Und Selbstbegrenzung zum Genuß!
Die Sprache will ich dir verwandeln,
Dein Hörer sei der Mißverstand;
Mißlingen sei mit deinem Handeln,
Und ewig zwei sei Kopf und Hand!
Die dich liebt, flieh; die du begehret,
Sie schaudere zurück vor dir,
Und sagt sie: Ja, hat sie gewähret,
So töt' ihr Ja dir die Begier!
Und daß der letzte Trost versaget,
Verewigt Rache sei und Leid;
So zweifle der, dem du's geklaget,
An deines Leides Wirklichkeit!
Zieh hin, um all dein Glück betrogen,
Und buhl um meiner Schwester Gunst,
Sieh, was das Leben dir entzogen,
Ob dir's ersetzen kann die Kunst!"
Da fiel's mich an mit Nachtgewalten,
Und Wahrheit war es, was sie sprach;
Das Herz im Busen mir gespalten,
Und jener innre Dränger wach.
Seitdem irr' ich verbannt, alleine,
Betrüge andre so wie mich:
Du aber, armes Weib, beweine,
Den du verloren, ewiglich!
Text: Franz Seraphicus Grillparzer - Lizenz: Public Domain