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Der Abend

Mit balsamischem Gefieder
Deckt der Abend nun die Flur,
Sanfte Kühlung weht hernieder,
Stille sind der Vögel Lieder,
Feiernd schweiget die Natur.

Ruhe träuft von seinem Flügel,
Und er spendet Labung aus.
Dort an jenem grünen Hügel
Kehrt vom Feld mit losem Zügel
Froh der Ackersmann nach Haus.

Stille deckt die düstre Erde,
Alles ruht auf Berg und Thal,
Zu den Hürden eilt die Herde;
Abgemattet gehn die Pferde
In den langentbehrten Stall.

Purpurröte überwebet
Hell das blaue Firmament,
Und das Laub im Walde bebet,
Von des Zephirs Hauch belebet,
Und der ferne Westen brennt.

Rotes Gold glüht in den Lüften,
Spiegelt sich im nahen Teich;
Dunkles Grau umhüllt die Triften,
Berg und Thal und Wiese düften,
Dampfenden Altären gleich.

Hinter jener Berge Rücken
Sinket Phöbus hehr hinab.
So stürzt, Hoheit in den Blicken,
Sich der Brave mit Entzücken,
Für das Recht ins offne Grab.

Nichts kann seinen Mut ermatten,
Wann die Pflicht den Edlen ruft.
Er zählt fröhlich seine Thaten,
Fliehet in des Grabes Schatten,
Sinket heiter in die Gruft.

Denn warum sollt' er auch beben?
Bald entweicht des Grabes Nacht,
Bald kehrt er zu besserm Leben;
Bald wird er sich neu erheben,
Wie die Sonn', in hehrer Pracht.
Text: Franz Seraphicus Grillparzer - Lizenz: Public Domain