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Kölner Dombau

Was baut ihr Häuser, eh' der Gast noch da?
Die Einheit wohnt in Balken nicht und Steinen,
Sie lebt im Fühlen, das dem Herzen nah,
Und was sich liebt, wird sich von selbst vereinen.

Mit eurer Schriften hochhinwehndem Wind
Bewegt die Oberfläche höchstens der Verfasser;
Die Fische bleiben lautlos, wie sie sind,
Und schwimmen unberührt im tiefen Wasser.

Kehrt, Fürsten, euch ans Volk nicht bloß mit Witz,
Gebt ihnen erst, was sie verteid'gen sollen;
Den Namen Deutsche, macht ihn zum Besitz,
Dann werden, was sie können, sie auch wollen.

Macht, daß Verlust des Rechts, euch anvertraut,
Zugleich Verlust sei jedes einzeln eignen,
Wie ihr's am Franken und am Briten schaut,
Dann wird der deutsche Sinn sich nie verleugnen.

Schon einmal, daß sich Einheit nicht verliert,
Erbauten sie den Riesenturm zu Babel;
Doch ward die Sprache gleich, der Sinn verwirrt,
Und Turm und Widmung kennt nur noch die Fabel.
Text: Franz Seraphicus Grillparzer - Lizenz: Public Domain