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Totenfeier.

In dem Zelte prangt die Bahre
Aus der Zeder duft'gem Holz,
Und den Totenkranz im Haare
Lieget der Hellenen Stolz.

Vor des Schicksals Zornesbränden
Splittert' auch Achillens Schild,
Und von feigsten Troer-Händen
Fiel das griech'sche Götterbild.

Aber bleich, wie Flocken gleiten,
Eis die Brust und Eis der Schoß,
Sitzt Briseis ihm zur Seiten,
Die ihn liebte grenzenlos.

Sie, von deren Sklavin-Schöne
Wie von Göttin-Reiz gebannt,
Hellas hehrste Heldensöhne
Wild im Zwillingszwist entbrannt:

Einmal hat sie noch gefunden,
Lautlos, wie ein Schatten naht,
Blutend selbst aus Todeswunden
Zu dem Toten ihren Pfad.

Die so oft im Tagesschimmer
Schlang um ihn der Arme Samt,
Weiß jetzt eins nur: daß für immer
Jeder Tag mit ihm verflammt.

Die so oft in Brautnacht-Schauern
Schlürfte diese Jünglingspracht,
Kennt jetzt eins nur, endlos Trauern
Und den Abgrund tiefster Nacht.

Horch, und bei des Abends Flammen
Schwillt vom Meere Grabgesang,
Und Briseis zuckt zusammen,
Denn sie kennt diesen Klang.

Und dem schönsten kalten Munde
Haucht sie kält're Küsse auf,
Schön ist noch die Todeswunde,
Und die Lippe drückt sie drauf.

"Es entwallt den Meereswogen
Deiner Mutter Götterwelt,
Weinend kommen sie gezogen,
Und die Sklavin räumt das Feld.

Tränenlos muß sie erscheinen,
Ob ihr Leben zehnfach bricht, -
Mögen Götter dich beweinen,
Meine Wimper wagt es nicht!"

Und sie schwindet, ohne Tränen,
Ohne Laut, wie Schwerz-vereist, -
Und doch kann sie's jetzt schon wähnen,
Hören jetzt es schon im Geist:

Wie das ewigste der Lieder
Ihre Liebe und ihr Leid
Reißt auf gold'nem Klanggefieder
Mit sich in die Ewigkeit!
Text: Udo Brachvogel - Lizenz: Public Domain