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Ein letztes Kyffhäuser-Lied.

Fort mit Klagen, fort mit Sagen,
Tot sei die Vergangenheit!
Jedes Wollen, jedes Wagen,
Jedes Pulses zuckend Schlagen
Sei dem Jetzt allein geweiht!

Wühlt nicht mehr im Schuttgerolle
Von Kyffhausens altem Berg, -
Greift ins Herz, das übervolle:
Dort in morgenhellem Grolle
Sang sein Weckerlied der Zwerg.

Ihr verstandet nicht das Brausen,
Den Orkan im eignen Sinn:
Nicht in Kellers Nacht und Grausen, -
Jedes Herz war ein Kyffhausen,
Und der Kaiser schlief darin!

Doch an jendem großen Tage,
Da die welschen Raben schrien,
Sprangen auf mit einem Schlage
Die Millionen Sarkophage
Von lebendigem Rubin.

Und aus jedem Rettung bringend
Stieg ein Rotbart ganz und gut,
Und es wälzte, Flamberg schwingend,
Sieg und Auferstehung singend,
Westwärts sich die Kaiserflut.

Westwärts, jenen zu zermalmen,
Der sich Kaiser auch genannt;
Ob zerstampfter Ernte Halmen,
Durch gebroch'ner Städte Qualmen
Schäumt die Flut ins Fränk'sche Land.

Schäumt und schwillt und schmettert nieder,
Was nicht mit ihr schäumt und schwillt;
Jeder Sturm braust Kampfeslieder,
Adler schütteln ihr Gefieder
Über jedem Schlachtgefild.

Blut verströmt und Wunden klaffen,
Wie von Nordlichtschein erhellt
Ruht erstarrt des Friedens Schaffen,
Und im Glanzz der Rotbart-Waffen
Stauned und vergeht die Welt.

Doch, wie aus des Chaos Brauen
Einst der Tag, der erste, stieg,
So auf Lotharingens Auen
Brach aus Todesnacht und Grauen
Brach die Sonne, brach der Sieg.

Deutschlands Reckenvolk, am Ziele
Ist dein Wunder-Siegeslauf,
Und schon blüht, wie jetzt auch fiele
Noch der Wurf im ehrnen Spiele,
Dir ein Wald von Lorbeer auf.

Seine schwer erkämpften Reiser
Seien dir zu jeder Frist
Mahner, Warner, Unterweiser:
Daß kein Volk für einen Kaiser, -
Daß ein Kaiser-Volk du bist!

Und so gründe, fest geschlossen
Und gefeit vor jedem Streich,
Volk von höchstem Ruhm umflossen,
Hehres Volk der Barbarossen
Dir dein neues Kaiserreich!
Text: Udo Brachvogel - Lizenz: Public Domain