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Borgia.

"Fehde sinnt er der Tiara,
Umsturz spinnt er unserm Thron,
Dieser Sklave von Ferrara,
Und zu kämpfen gilt es, Sohn.

Was uns Blut und List erzwangen
Wahrt auch List und Blut uns bloß,
Kühn wie Löwen, klug wie Schlangen,
Und wie beide mitleidslos!

Nimm, mein Cäsar, diese Klinge,
Die ich selber einst gebraucht,
Daß den Tod sie sich'rer bringe,
Wurde sie in Gift getaucht:

In das Gift, das von Vanozzen,
Deiner Mutter ich empfing, -
Gift der Borgia, dem zu trotzen,
Gott, wie Teufel zu gering!"

Also flüstern miteinander,
Der da sitzt auf Petri Thron,
Jener Sechste Alexander
Und der Brudermörder-Sohn,

Der in Vatikanes Wänden
Lächelnd herrscht mit Doch und Kuß,
Stieres Kraft in Frauenhänden,
Henker und Antinous.

Und in Schweigen sinken beide,
Nur wie träumend zuckt die Hand
Nach dem Fläschchen, nach der Schneide
Unter weichem Samtgewand.

Da erschallt ein jauchzend Necken,
Rauschet seidner Schleppen Ton,
Und aus ihrem Brüten schrecken
Borgia-Vater, Borgia-Sohn,

Denn es nahet ihrer Sorgen
Schlummer-Peri, blendend schön,
Wie der erste Ostermorgen
Einstens lag auf Judas Höhn.

Wie die süßeste der Sünden
Süßer naht Lukretia,
Ihm Musiken zu verkünden
Steht sie vor dem Vater da;

Ist Musik und Himmelskunde
Ihm ihr bloßer Anblick doch, -
Und er küßt mit heißem Munde,
Die ihm mehr als Tochter noch.

Und spricht: "Was grollst du, Vater?
Was umdüstert Cäsars Blick?
Überlasset, Roms Berater,
Meinen Händen das Geschick!

Wißt ihr nicht, wie stark der Bann ist,
Den so oft dies Auge spann?
Witwe bin ich, und ein Mann ist
Don Alphonso, - nur ein Mann!

Komm' er denn! zu seinem Preise
Prang' im Festschmuck jeder Saal,
Und der Flöten weichste Weise
Lade ihn zum Bacchanal.

Wein von Cypern soll kredenzen
Ihm ein jüng'rer Ganymed,
Draus der Duft von hundert Lenzen,
Männer-Kaltsinn schmelzend, weht.

Dann, indes ihm Mädchen fächeln,
Trink' ich selbst ihm zu den Wein, -
Glühen werde ich und lächeln,
Cypria und Hebe sein.

Ob er gleich zusammenraffe
Ganz Italien zur Wehr,
Auch mein Glühn ist eine Waffe,
Und mein Lächeln ist ein Heer!

Aber, wenn ihn dennoch solche
Waffe nicht zu Tode trifft:
Dann, o Cäsar, schleife Dolche,
Und du, Vater, mische Gift!"
Text: Udo Brachvogel - Lizenz: Public Domain